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Sehen, Wahrnehmen, Erkennen

Minimalismus und Raum

Christian Gode hat eine klassische Kunstausbildung durchlaufen, gleichwohl verzichtet er auf Pinsel oder Malspachtel, auf Farbstifte oder Ölfarben; die Kategorie „Tafelbild“ ist ihm fremd.

Sein Formenrepertoire ist die Linie, die geometrische Linie oder die durch Linien begrenzte Fläche; Malerisches und Farbigkeit werden nicht angestrebt. Eine solche Reduktion des bildnerischen Repertoires will nicht nur alles Abbildhafte überschreiten, sondern auch jeglichen Rückbezug auf eine künstlerische Subjektivität und Emotionalität, auf einen kreativen oder ideologischen Deutungsanspruch. Im Extremfall arbeitet Christian Gode an einem konkreten Ort, ausgestattet nur mit einem Cutter oder einem schwarzen Farbband (Tape).

Der vorgefundene Raum ist der Anfang und Auslöser seines Arbeitens bzw. seines Denkens. Entscheidend hierbei ist, dass die zur Anwendung kommenden minimalistischen Formen nicht a priori vorhanden sind (vom Künstler quasi mitgebracht werden), sondern aus dem Raum und seinen vorhandenen Strukturen (Bodenplatten, Fensterstrukturen etc.) entwickelt werden.

Wenn der Raum Ausgangspunkt seines künstlerischen Arbeitens ist, dann ist er nicht vorrangig  als “Ort“ gemeint, als semantisch aufgeladener Ort – geschichtsträchtig, Erinnerungen und Anekdoten auslosend. Erzählungen strebt Christian Gode nicht an. In diesem Sinne ist er ein Kind der minimalistischen Kunst, lehnt er wie diese das expressive Informel ab, vermeidet er Narratives, postuliert er keine künstlerische Deutungshoheit.

Christian Gode geht es um Erfahrungen, vorrangig Seh-Erfahrungen im Raum, um das Sehen und Erfahren selbst. Letztlich ist der Betrachter angesprochen und gemeint, seine Bewegung im Raum und die damit verbundenen Seherfahrungen und Erkenntnisse.

 

Räume (in situ), Rauminterventionen

Wenn es bei Christian Gode um Wahrnehmen geht, um ein Wahrnehmen, das den agierenden Betrachter voraussetzt und zum Ziel hat, dann ist die künstlerische Auseinandersetzung mit dem realen (gerade nicht abbildhaften) Raum nur konsequent, und dann muss das (wie auch immer) benutzte Material der künstlerischen Aneignung bewusst minimiert werden.

Und noch einmal: wenn der reale (!) Raum Untersuchungsgegenstand sein soll, dann kann man nicht ausschließlich in der Galerie oder dem Museum arbeiten; Kunst muss dann notwendigerweise den sogenannten „white cube“ verlassen und den realen Raum aufsuchen, den Raum außerhalb des Museums. Der von Gode favorisierte „(off) raum“, bekundet solcherart sehr deutlich den Realitätscharakter und Anspruch seiner Arbeit.

Sehen, Erfahren und Erkennen im Modus eines ästhetischen Surrogats strebt Christian Gode gerade nicht an.
Die Interventionen, die vorgenommen werden, sind dann oftmals Schnüre oder Klebebänder (tape), und als solche von nur geringer Eigenwertigkeit; sie arbeiten nicht als Opposition zum Raum, verstellen und versperren nicht. Gleichwohl bilden sie einen Störfaktor, fordern auf, das vermeintlich Bekannte neu oder anders wahrzunehmen.

Und wenn von geringer, bewusst zurückgenommener, Eigenwertigkeit gesprochen wird, dann liegt das nicht nur an der Quantität des eigebrachten Materials, sondern auch und vor allem an der besonderen Formqualität, die oftmals nicht nur linear oder als Flächengeometrie daherkommt, sondern sich immer auch aus der Logik des jeweiligen Raumes entwickelt, aus der Struktur, den Modulen, den Richtungswerten oder proportionalen Verhältnissen.

Der materielle Störfaktor ist zugleich ein Merkmal des jeweiligen Raumes, geradezu aus diesem entwickelt. Ganz selten wird in das plastische Raumvolumen eingegriffen, wird vorrangig auf den Raumgrenzen gearbeitet, den Boden-, Wand- und Deckenflächen.

[Ulrich Marquardt]